Was macht einen Menschen aus? Sein Gesicht, seine Kleidung, seine Haltung? Bestimmt. Möglicherweise aber auch seine Umgebung. Das Portrait eines Menschen allein auf den Kopf zu reduzieren, erzählt in vielen Fällen zu wenig von ihm. Spannender ist da schon das informelle Portrait: das Portrait des Menschen in einem Zusammenhang.
Das informelle Portrait geht zurück auf August Sander, der im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts Menschen in ihrer Umgebung portraitierte und damit versuchte, Menschen zu kategorisieren: den von edlem Blut oder den der Arbeiterklasse beispielsweise. Er hat damit die gesamte Geschichte eines Menschen in einem Photo abzubilden versucht.
Aber egal, ob das Photo den Menschen bei der Arbeit zeigt oder bei seiner Freizeitgestaltung: Das Bild erzählt davon, wie ein Mensch lebt. Grundsätzlich wird dabei mehr vom Portraitierten gezeigt als das Gesicht, aber ob das Bild nur den Oberkörper präsentiert oder den Menschen in Gänze, das Setting ist entscheidend. Mein Beispiel zeigt einen Reiter und gehört zu einem Magazin-Artikel über Menschen, die im fortgeschrittenen Alter in den Pferdesport einsteigen. Dieser Mensch ist irgendwie echt und macht einen interessanten Eindruck. Ich möchte eigentlich mehr über ihn wissen.
Haltung, Kleidung und Location unterstreichen das im Artikel Gesagte. Sie haben aber auch ein Eigengewicht. Dieser Mensch zeigt, dass er einen engen Bezug zum Reiten hat. Dadurch wird der Text authentisch, aber das Bild allein wirkt schon glaubwürdig. Dieser Mensch ist kein Model. Er ist wenig perfekt, seine Kleidung etwas beschmutzt. Das Bild ist direkt nach einer Reitstunde entstanden, das Bild hat die Qualität eines Dokuments.
Entscheidend für die Wirkung des Bildes ist der weite Raum. Je nachdem, wie viel Bedeutung dem beigemessen wird, kann die Brennweite variieren: von 28 mm bis zu 50 mm reicht die vernünftige Palette, ideal mag die Mitte sein: 35 mm. Die ist auch hier eingesetzt worden. Dazu ein Blitz mit einer 60 cm Softbox – die gleichmäßige Ausleuchtung ist eine Entscheidung jedes Photographen. Photographen großer Agenturen entscheidenden sich meist dagegen, um den Charakter einer Situation unverfälscht widerzuspiegeln. Das ist dann eher eine journalistische Photographie. Aber auch da vertritt jeder Photograph seinen eigenen Stil.
Wichtig in diesen Bildern ist auch die Kommunikation zwischen Photograph und Photographiertem. Auch hier ist das überzeugende Bild eine Gemeinschaftsarbeit. Schnappschüsse bleiben Schnappschüsse, obwohl auch ein spontanes Bild in einem Kontext eine dokumentarische Aussage treffen kann, aber im Grunde sollte das Bild vom Photographen schon gestaltet sein. Die erzählerische Kraft eines Bildes erhält das informelle Portrait also lediglich zum Teil durch die Darstellung des Kopfes, vor allem aber aus dem vielen Drumherum