Variationen von Lichtreflexen auf den Augen
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Stilfrage: Reflexe in den Augen

Lernen heißt, richtig von falsch unterscheiden zu können. Ausgelernt habt Ihr, wenn ihr für Eure Arbeiten richtig und falsch selbst definiert, dann habt Ihr Euren Stil gefunden. Stil, zumal wenn er unverwechselbar oder einzigartig ist, stellt in künstlerischen Arbeiten das maßgebliche Kriterium dar. Eingeschränkt wird das etwas durch die Notwendigkeit Geld zu verdienen: In ökonomischer Hinsicht braucht Ihr Kunden, die Eurem Stil folgen. Andersherum: Wenn Euer Stil einschlägt, habt Ihr gewonnen. Also, traut Euch was.

Stephan Wiener bietet auf youtube eine ganze Menge wertvolles Wissen zur Photographie. Eine seiner Herangehensweisen ist für mich aber ein No-Go: doppelte Reflexe in den Augen. Er sagt, das sei seine Handschrift. Das ist okay, wie ihr auf dem Beispielbild oben seht, habe ich das  auch mal gemacht. Das war aber zum Anfang meiner Studio-Arbeit, und ich wusste es nicht besser.

Mittlerweile halte ich das persönlich für einen krassen Fehler, aber auch ich habe eine Marotte, die Stephan Wiesner wiederum absolut ablehnen würde. Ich habe inzwischen immer wieder festgestellt, dass mit einer künstlichen Quelle, so klein die auch sein mag, genügend Licht vorhanden ist, um ein Gesicht entweder charaktervoll oder weich zu modellieren. Insofern ist eine zweite Lichtquelle, also ein weiterer Reflex in den Augen absolut unnötig. Ich halte das sogar für einen handwerklichen Fehler. Meiner Ansicht nach widerspricht das nämlich den natürlichen Gegebenheiten. Unsere klassische Beleuchtung ist die Sonne, die grundsätzlich von schräg oben kommt. Wenn wir an einem Sonnentag einem Menschen ins Gesicht schauen, spiegelt sich dort immer der Himmel. Oder in einem Raum die Beleuchtung, die an der Decke hängt. Deswegen sollte sich das auch in der Photographie wiederfinden, meine ich.

Aber zurück zu meinem handwerklichen Fehler. Wie die meisten modernen Photographen photographiere ich Portraits fast ausschließlich mit offener Blende, also in der Regel mit maximal F2. Wenn sich also das Modell, wie das eigentlich sei sollte, leicht schräg zur Aufnahme-Achse positioniert, liegt ein Auge außerhalb der Schärfentiefe-Ebene. Das heißt: entweder abblenden oder ein unscharfes Auge in Kauf nehmen. Genau das mache ich.

Auch das begründet sich meiner Ansicht nach mit den menschlichen Sehgewohnheiten: Wenn wir einen Menschen anschauen, sehen wir selbstverständlich das gesamte Gesicht. Aber habt Ihr schon mal festgestellt, dass Ihr einem Menschen, der sehr dicht vor Euch steht, entweder fokussiert auf den Mund schauen könnt oder in die Augen?! Und wenn Ihr dem Menschen in die Augen schaut, dann auch eher in eines anstatt exakt fokussiert in beide, oder? Deshalb halte ich eine leichte Unschärfe des zweiten Auges für absolut akzeptabel. Und, im Rahmen, sogar für empfehlenswert.

Allerdings ist dabei folgendes zu beachten: Das scharfe Auge sollte das vordere sein, auf das ich in der realen Situation auch schauen würde. Darüber hinaus sollte das scharfe Auge auch hell genug sein. Der Mensch schaut immer ins Licht, insofern würde der Blick auf das unscharfe Auge gezogen werden, würde das sehr viel heller sein, als das scharfe.

Im Grunde fällt das aber bei einem geringen Abbildungsmaßstab auch gar nicht großartig auf. Probiert also einfach mal aus, was Euch letztendlich besser gefällt.

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