Die deutsche Metal-Band Accept im Hamburger Club Docks
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Live-Portraits: Finger weg vom Blitz

Three songs, no flash – die Bedingungen für Konzertphotographie sind grundsätzlich unangenehm. Von gutem Licht kann ich da oft nur träumen; und auch die Enge vor der Bühne macht einen Schuss allzu oft zum Glücksspiel. Je angesagter der Künstler, desto exclusiver der Zugang, und desto rabiater rempeln sich alle Fotografen in die beste Schussposition. Vor der Bühne verläuft der „Graben“, also die Distanz zwischen Bühne und dem Publikum; rund einen Meter breit die gesamte Bühne entlang, dort dürfen sich die Fotografen tummeln – kleine Clubs verzichten meisten auf eine Absperrung, dafür fühlen sich dann die Zuschauer von den Fotografen belästigt. Wirklich nervige Arbeitsbedingungen.

Trotzdem gibt’s für Dich ein paar Kniffe, um die Qualität der Bilder zu verbessern, und viel Atmosphäre vom Konzert oder von der Charakteristik der Künstler einzufangen.

Für die ersten drei Songs bleiben Fotografen erwünscht, dann werden sie meist von den Ordnern herausgedrängt; wer im Hinausgehen auf die Schnelle noch einen Schuss mitnehmen will, bekommt eine dicke Pranke auf die Linse gepatscht, die dazugehörige zweite Pranke eventuell in den Nacken. Die Amerikaner verstehen durch die Bank so gar keinen Spaß, sie reagieren absolut zickig, die Engländer und Europäer sind entspannter, deutsche Künstler reagieren durchweg medienfreundlich. Gute Bilder aus dem Graben zu fischen, hängt ganz enorm vom Zufall ab; der Maßstab dafür hieß für mich immer: scharf druckbar über eine komplette Magazinseite, also mindestens 20 mal 30 Zentimeter, oder aber tauglich für Cover von Live-Alben. Drei Songs dauern möglicherweise eine Viertelstunde. Ganz wenig Zeit also, um Brauchbares zu schießen. Alles muss zusammen passen. Aber auch wirklich alles.

Flaches Licht, viel Gesicht

Ich habe meine ersten Konzerte fotografiert, als die Welt noch analog war und viele Zeitungen überwiegend in Schwarz-Weiß druckten. Insofern durfte der Kontrast nie allzu hoch sein. Aber auch digital kommt wenig auf’s Bild, wenn der Spot fehlt – ein heller Lichtkegel, der den Künstler ausleuchtet, meist steht ja ohnehin der Sänger im Mittelpunkt. Ohne Spot vom Mischpult aus, kommt das Licht meist ausschließlich von oben und strahlt steil von oben herab, ein fetter Nasenschatten und tiefdunkle Augenhöhlen sind dann garantiert. Fies wird’s, wenn der Sänger das Mikro dicht am Mund führt; dann ist das halbe Gesicht schwarz. Meist passiert das bei Singer/Songwritern, die relativ statisch bleiben, und wenn sie nicht nur auf der Stelle stehenbleiben, sondern auch dauerhaft an ihrer Gitarre kleben, ohne dabei vielleicht mal den Kopf zu heben, hast Du keine Chance.

Aber auch ohne Verbot verbietet sich der Blitz. Während eines Konzerts von Alice Cooper war mal Dauerblitzen erlaubt. Da Du aber nur Deinen Systemblitz auf die Kamera stecken kannst, anstatt das Licht zu kontrollieren, kommt das Licht dann direkt von vorn und blitzt natürlich jegliche Konturen weg. Damit sind die Bilder dann zwar ausgeleuchtet, aber eigentlich auch fast schon unbrauchbar. Vor allem, wenn Du im Hintergrund eine warme Farbstimmung einfangen willst und von vorn das harte weiße Licht draufknallt.

Für ein Close-Up ganz weit weg

Also: Blitz zuhause lassen, aber welche Optik einpacken? Zwei Optiken reichen, vielleicht eine; kommt auf die Band an. Auf jeden Fall sollte die Optik mindestens eine Blende von 2.8 bieten. Idealerweise eine 2.0, sonst wird der Vordergrund oft zu dunkel. Fotografierst Du in Richtung Hardrock oder Punk, nimm unbedingt ein Weitwinkel – 35 Millimeter sind ideal, vor allem für die ganz hubbeligen Sänger. Die stehen nämlich gern breitbeinig am Bühnenrand und brüllen direkt ins Publikum. Wenn Du etwas in die Knie gehst, kannst Du von unten ziemlich krasse Bilder bekommen. Gilt auch für Gitarristen, die breitbeinig am Bühnenrand stehen oder sich vornüber beugen – wie am obigen Beispiel mit der deutschen Metal-Band „Accept“. Viele Fotografen laufen mit Zoom-Optiken herum, oft 70 bis 210 Millimeter. Aber eine Festbrennweite sollte Dir reichen, denn den idealen Ausschnitt schießt Du meistens mit dem 135 Millimeter. Mit dem richtigen Abstand gelingt Dir dann vor allem bei Gitarristen die formatfüllende Aufnahme vom gesamten Oberkörper.

Einer meiner bewundernswertesten Kollegen war immer Ingo Röhrbein vom Hamburger Abendblatt. Dem sind oft überraschend eindrucksvolle Close-Ups gelungen, weil er sich mit einem 300er, 400er oder sogar 600er auf einem Einbein-Stativ ans gegenüberliegende Ende der Konzerthalle gestellt hatte, um ganz weit außerhalb des Getümmels ganz easy über alle Köpfe hinweg zu fotografieren. Wer mitten drin steht, ist oft verraten und verkauft. Jeder wippt und stößt Dich eventuell im entscheidenden Moment an; die Aufnahme ist dann futsch. Außerdem haben die Zuschauer für das Konzert in der Regel bezahlt und insofern überhaupt keine Geduld mit Fotografen, die ihnen möglicherweise die Sicht versperren. Willst Du Stress vermeiden, zieh Dich also etwas zurück.

Freihändig ist immer wackelig

Geduld bedeutet eine der obersten Tugenden für Konzertfotografen: Einfach warten, bis sich die Künstler leicht zu der einen oder anderen Bühnenseite wenden. Dabei entstehen meist offenere Bilder als frontal von vorn, bei denen oft das Mikro einen Teil des Gesichts verdeckt; ganz entscheidend ist also die Spotmessung: Ich habe immer auf das Gesicht gemessen; wenn das eventuell ausgefressen gewesen wäre, hätte das die gesamte Aufnahme ruiniert; ein anderer Fall wäre ein farbiger Musiker vor hellem oder buntem Hintergrund – die Ungenauigkeit von Integralmessung wäre mir zu riskant. In den meisten Clubs brauchst Du ohnehin einen ISO-Wert von 1.600. Ansonsten saufen Dir die Tiefen ganz sicher ab. Willst Du also überwiegend Konzerte fotografieren, sollte Dir das Rauschverhalten an der Kamera wichtig sein.

Für eine reiche Ausbeute empfiehlt sich ein schneller Autofokus, und dann am besten den Finger lange auf dem Auslöser stehen lassen. Konzertfotografie hat auch immer etwas mit Glück zu tun. Manchmal ist eine Bewegung verwischt, manchmal bewegt sich der Künstler erst in die Schärfe hinein. Vor allem wegen der oft geringen Tiefenschärfe ist der Ausschuss manchmal hoch. Um den dann noch in Grenzen zu halten und keine Verwacklung zu provozieren, ist ein Einbein-Stativ unabdingbar, wenn Du ein Zoom von mindestens 200 Millimetern nutzt. Verwacklungsfrei wäre dann höchstens 1/250 Sekunde aus der Hand zu halten ­– mit so einer Tüte würde ich ungern aus der Hand schießen.

Die besten Fotos nützen Dir allerdings nichts, wenn Du sie nicht zeigen oder nutzen darfst. Urheberrechts-Verletzungen sind kein Kavaliersdelikt. Also frag immer den Veranstalter oder den Manager, ob Du Bilder machen darfst. Am besten Du holst Dir die Genehmigung schriftlich. Vielleicht schickst Du der Band dann Bilder. Kann ja auch der Anfang eines bezahlten Auftrags sein; aber auf jeden Fall stellen die Bilder eine Referenz für Dich da. Wenn Du auf Blitz verzichtest, sieht auch jeder, dass Du etwas drauf hast.

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