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Variationen von Lichtreflexen auf den Augen
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Stilfrage: Reflexe in den Augen

Lernen heißt, richtig von falsch unterscheiden zu können. Ausgelernt habt Ihr, wenn ihr für Eure Arbeiten richtig und falsch selbst definiert, dann habt Ihr Euren Stil gefunden. Stil, zumal wenn er unverwechselbar oder einzigartig ist, stellt in künstlerischen Arbeiten das maßgebliche Kriterium dar. Eingeschränkt wird das etwas durch die Notwendigkeit Geld zu verdienen: In ökonomischer Hinsicht braucht Ihr Kunden, die Eurem Stil folgen. Andersherum: Wenn Euer Stil einschlägt, habt Ihr gewonnen. Also, traut Euch was.

Stephan Wiener bietet auf youtube eine ganze Menge wertvolles Wissen zur Photographie. Eine seiner Herangehensweisen ist für mich aber ein No-Go: doppelte Reflexe in den Augen. Er sagt, das sei seine Handschrift. Das ist okay, wie ihr auf dem Beispielbild oben seht, habe ich das  auch mal gemacht. Das war aber zum Anfang meiner Studio-Arbeit, und ich wusste es nicht besser.

Mittlerweile halte ich das persönlich für einen krassen Fehler, aber auch ich habe eine Marotte, die Stephan Wiesner wiederum absolut ablehnen würde. Ich habe inzwischen immer wieder festgestellt, dass mit einer künstlichen Quelle, so klein die auch sein mag, genügend Licht vorhanden ist, um ein Gesicht entweder charaktervoll oder weich zu modellieren. Insofern ist eine zweite Lichtquelle, also ein weiterer Reflex in den Augen absolut unnötig. Ich halte das sogar für einen handwerklichen Fehler. Meiner Ansicht nach widerspricht das nämlich den natürlichen Gegebenheiten. Unsere klassische Beleuchtung ist die Sonne, die grundsätzlich von schräg oben kommt. Wenn wir an einem Sonnentag einem Menschen ins Gesicht schauen, spiegelt sich dort immer der Himmel. Oder in einem Raum die Beleuchtung, die an der Decke hängt. Deswegen sollte sich das auch in der Photographie wiederfinden, meine ich.

Aber zurück zu meinem handwerklichen Fehler. Wie die meisten modernen Photographen photographiere ich Portraits fast ausschließlich mit offener Blende, also in der Regel mit maximal F2. Wenn sich also das Modell, wie das eigentlich sei sollte, leicht schräg zur Aufnahme-Achse positioniert, liegt ein Auge außerhalb der Schärfentiefe-Ebene. Das heißt: entweder abblenden oder ein unscharfes Auge in Kauf nehmen. Genau das mache ich.

Auch das begründet sich meiner Ansicht nach mit den menschlichen Sehgewohnheiten: Wenn wir einen Menschen anschauen, sehen wir selbstverständlich das gesamte Gesicht. Aber habt Ihr schon mal festgestellt, dass Ihr einem Menschen, der sehr dicht vor Euch steht, entweder fokussiert auf den Mund schauen könnt oder in die Augen?! Und wenn Ihr dem Menschen in die Augen schaut, dann auch eher in eines anstatt exakt fokussiert in beide, oder? Deshalb halte ich eine leichte Unschärfe des zweiten Auges für absolut akzeptabel. Und, im Rahmen, sogar für empfehlenswert.

Allerdings ist dabei folgendes zu beachten: Das scharfe Auge sollte das vordere sein, auf das ich in der realen Situation auch schauen würde. Darüber hinaus sollte das scharfe Auge auch hell genug sein. Der Mensch schaut immer ins Licht, insofern würde der Blick auf das unscharfe Auge gezogen werden, würde das sehr viel heller sein, als das scharfe.

Im Grunde fällt das aber bei einem geringen Abbildungsmaßstab auch gar nicht großartig auf. Probiert also einfach mal aus, was Euch letztendlich besser gefällt.

Portrait von Linda Joan Berg – im Stil von Maria Callas
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Klassik-Portrait: dezent selbstbewusst

Die weite Welt der klassischen Musik habe ich noch vor mir. Die Frage war also: Wie bringe ich eine Künstlerin aus diesem Genre aufs Bild, um die Sehgewohnheiten der Betrachter zu bedienen? Gefragt ist hier beispielsweise die Meinung von Agenten, die die Künstlerin vertreten oder die Verantwortlichen für die Besetzung von Rollen. Um ein Engagement zu bekommen, muss auf dem Bild der Typ überzeugen.

Opern-Sängerin Linda Joan Berg aus Hamburg.

Opern-Sängerin Linda Joan Berg aus Hamburg.

Was weiß ich von Klassik, woran kann ich mich orientieren? Für die Künstlerin Linda Joan Berg aus Hamburg fiel mir nur die Nähe zu Maria Callas ein. Die Internet-Recherche offenbarte mir, dass die Opern-Diva grundsätzlich mit hartem Licht photographiert wurde. Da mir die Callas auch sehr kühl vorkam und ich meine Künstlerin ebenfalls als ein wenig divenhaft in ihrem Verhalten wahrnahm, empfand ich den Vergleich der beiden Frauen passend und entschied mich ebenfalls für ein hartes Licht. Im Übrigen meine ich „divenhaft“ jetzt nicht despektierlich; aber Linda Joan geht sehr in ihrer Profession auf, sie präsentiert sich mir so, wie ich mir einen Opern-Star eben so vorstelle.

Insofern wollte ich auch einen harten Schatten, um eben ein Schmeichel-Licht unbedingt zu vermeiden und ganz klar Position zu beziehen: Die Künstlerin überzeugt durch ihren Charakter und darf selbstbewusst auftreten. Ich wollte unbedingt vermeiden, dass das Bild gefällig wirkt.

Als ideale Ergänzung dazu machten wir noch Aufnahmen, die die Künstlerin in all ihrer Vitalität und Lebensfreude zeigen. Singen hat auf jeden Fall etwas Kraftvolles, Weltumspannendes. Trotzdem blieben wir mit dem schlichten schwarzen Kleid und dem Kontrast zum weißen Hintergrund dezent, um den Typ nochmals zu betonen und die Ablenkung durch eine stilvolle Umgebung zu umgehen.

Cooler Drummer beim Photographieren
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Musiker-Portraits: Cooler Drummer

Der Flop zeichnete sich schnell ab: „Dedel“ fehlte. Handy war auch ausgeschaltet. Ansonsten war die Band „No U-Turn“ pünktlich angetreten. Portraits sollten gemacht werden sowie ein Band-Photo. Diese Termine sind immer etwas anstrengend, denn vier bis fünf Leute terminlich unter einen Hut zu bekommen, ist immer ein ambitioniertes Vorhaben. Zumal mindestens einer immer früher weg muss und insofern schnell Hektik aufkommt.

Oder Hektik kommt auf, wenn einer weg bleibt. So, wie „Dedel“. Dann kam er aber doch. Und überraschte alle. Natürlich hatte er seine Requisiten vergessen, seine Sticks. Das war die erste Überraschung. Glücklicherweise fand sich im Band-Equipment noch ein Flaschenöffner in Form eines Sticks, den er sich in die Brusttasche steckte. Eine Verbindung zu seinem Instrument war perfekt und ganz einfach hergestellt. Die zweite Überraschung war allerdings, dass er offenbar ein durch und durch tiefenentspannter Typ ist: Jedenfalls zog er sich in Nullkommanix sein Bühnen-Outfit an und stellte sich vor den Hintergrund.

Im Prinzip brauchten wir nur zehn Schüsse, um eine locker-flockige Pose festzuhalten. Die anderen Band-Mitglieder taten sich deutlich schwerer. So schnell kann’s also auch gehen.

Doc Eisenhauer war eine Hamburger Metal-Band der 90er-Jahre
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Band-Photo I: Aller Anfang ist leicht

Band-Photos sind für mich eine enorme Herausforderung. Weil ich Gruppenaufnahmen eher weniger mag. Aber Bands stehen halt für einen Sound, für eine Dynamik und insofern ist ein Band-Photo für meinen Geschmack auch eher das Portrait einer zusammengehörigen Einheit. Und dieses Gesamtbild komprimiert wiederzugeben, finde ich ungemein spannend.

Jede Band hat ihre eigene Hierarchie – klar, meist spielen Schlagzeuger und Bassisten auch in der Darstellung eher Nebenrollen. Ist aber nicht zwingend und immer so, und jede Band will deshalb individuell aufgestellt werden. Die Schwierigkeit taucht also immer gleich am Anfang auf: Platziere ich die Musiker nebeneinander oder versetzt? Und welchen Look gebe ich? Welchen Stil spielt die Band denn überhaupt – Jazz, Pop, Metal? Fest steht, dass mit jeder Band alle Parameter immer wieder aufs Neue durcheinander gewirbelt werden.

Dann geht’s weiter: Wie baue ich denn mein Licht? Reicht überhaupt mein Equipment für vier bis fünf Leute? Und so weiter. Wichtig aber sind vor allem die Anforderungen an das Ergebnis. Sollte das Band-Photo für ein Cover geknipst werden, sollte ein geringes Budget vorhanden sein. Dafür könnten dann auch Lampen oder Reflektoren geliehen werden. Aber so hoch muss die Latte gar nicht gehängt werden.

Mein erstes Band-Photo für „Doc Eisenhauer“  habe ich Anfang der 90er-Jahre gemacht. Dia-Film in der Nikon F3, also Material, das sehr belichtungssensibel ist, kein Belichtungsmesser, kein künstliches Licht, kein Blitz, kein Aufheller, kein Visagist und grundsätzlich wenig Erfahrung mit der Sache an sich. Das Ergebnis war aber stimmig, weil die Gruppierung der Band von den Muckern selbst kam und insofern ganz flott von der Hand ging und die Stimmung innerhalb der Gruppe auch sehr gut abgebildet hat. Letztendlich haben wir klassisch den Sänger groß in den Vordergrund gerückt, bis es aufgrund des Weitwinkels verzerrt und komisch ausgesehen hätte. Der Rest der Combo hat sich im Hintergrund aufgeteilt. Die Köpfe reichten da. Ganz wichtig dagegen das großstädtische Setting, das die Band viel stärker charakterisiert hat, als wenn wir noch mehr Körper ins Bild genommen hätten.

Weil der Tag sehr sonnig war und die Ecke in Hamburg einigermaßen schattig lag, kam ein sehr gutes Ergebnis heraus. Grundsätzlich passte der Look des Graffiti-Hintergrunds sehr gut zur Band, die eben auch mit ihrer Herkunft aus der Hamburger Tattoo-Szene kokettiert hat. Also ein sehr authentisches Dokument, das mittlerweile seinen Charme auch aus der Körnung des alten Filmmaterials zieht.

Für Euch heißt das: Für ein vernünftiges Ergebnis braucht Ihr überhaupt kein großes Kino auffahren. Eure Idee, beziehungsweise die Botschaft des Bildes, sind deutlich wichtiger.

Klassischer Akt vor dörflicher Kulisse.
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Klassischer Akt: Adam und Eva gehen immer

In der Photographie zählen vor allem Sehgewohnheiten. Und da hast Du als Photograph nur zwei Möglichkeiten: Sehgewohnheiten bedienen oder bewusst verletzen. Bleibst Du da unentschlossen, wirst Du letztendlich lediglich ein Knipsbild hinbekommen. Photographieren bedeutet gestalten, und um diesen Schritt zu gehen, musst Du Dein Ziel kennen. Was willst Du also erreichen?

Sehgewohnheiten zu bedienen, ist der klassische Weg. Klassischer Weg heißt, dass wir liefern, was der Betrachter von uns erwartet. Verweigern wir uns den Sehgewohnheiten bewusst, provozieren wir. Wir liefern also Bilder, die den Betrachter überraschen und ihm eine Reaktion abverlangen, zumindest muss sich der Betrachter eine Meinung dazu bilden; wenn er bezweifelt, dass sich das lohnt, wird er am Bild schnell vorbeischauen. Erfüllen wir das, was der Betrachter erwartet, besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass er das Bild einfach nur mag. Und das wollen wir ja in der Regel, oder?

Die „klassische“ Aktphotographie hat vor allem mit Romantik zu tun, mit einem romantischen Verständnis von der Frau an sich, von Körperhaltungen, also den Posen, von Requisiten und von Hintergründen. Alle einzelnen Aspekte tragen dazu bei, dass der Betrachter das Gefühl bekommt, nach dem er sucht. Das Bild ist also ohnehin nur ein Auslöser, ein „Trigger“, für Vorstellungen, die sich im Kopf jedes einzelnen Betrachters zusammensetzen. Als Photograph bist Du also der Zünder für die Phantasien Deines Betrachters.

Die Sehgewohnheiten des klassischen Aktes – wie auch jedes anderen photographischen Vorhabens – verlangen von Dir insofern eine spezielle Planung und eine genaue Abstimmung mit Deinem Modell: Natürlich fordert ein klassischer Akt auch klassische Posen, also eher dezente, zurückhaltende Körperhaltungen. Gespreizte Beine sind da beispielsweise absolut kontraproduktiv und bedienen eher die Sehgewohnheiten bei Pin-Ups.

Wichtig auch der Hintergrund: Hier ein altes Bauernhaus in der Lüneburger Heide. Bauernhof, unberührte Idylle, Natur, die Farbe Grün für Vitalität und Frische, die leicht surreale Unschärfe, natürliches, weiches Licht, ein jugendlich-mädchenhafter Körper, der noch aufzublühen scheint – alles das setzt sich im Kopf des Betrachters zu einer Vorstellung von Paradies zusammen. Das ist eine klassische Vorstellung in der Kunst an sich und in der Photographie im Besonderen. Die Sehnsucht nach paradiesischen Zuständen steckt grundsätzlich in allen Menschen drin und findet sich in dem visuellen Wunsch nach Idylle wieder. Wenn Ihr das also bedient, macht Ihr schon mal sehr viel richtig.

Ich gebe zu, dass das Outfit des Modells stören könnte. Tatsächlich würde ein weißer weiter Rock die „weibliche Unschuld“ noch stärker betonen, als ein modernes sportliches Höschen. Außerdem verwirren die in den Höschen-Bund gesteckten Daumen. Aber in der Tat bleibt der Gesamteindruck romantisch und die „modernen“ Accessoires bilden sogar einen Kontrapunkt; sie geben dem einen modernen Charakter und machen es dadurch zeitlos. Obwohl es in der analogen Zeit geschossen wurde.

In Kategorie: Akt
Model Karo in Hamburg-Altona
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Ugly Location, Bad Light – Challenge

Einen spannenden Post hat der Hamburger Fotograf Patrick Ludolph veröffentlicht: „Ugly Location, Bad Light“ – darin macht er sich Gedanken über das Fotografieren mit schlechtem Licht in einer hässlichen Umgebung. So wichtig das Thema ist, so wenig teile ich die Meinung, dass Licht grundsätzlich schlecht und ein Hintergrund grundsätzlich hässlich sein kann.

Ich finde, dass die Qualität eines Bildes wenig abhängig ist von der Qualität des Lichts beziehungsweise der Umgebung. Viel wichtiger ist, dass wir alle bestimmte Sehgewohnheiten teilen. Wenn diese unbefriedigt bleiben, fehlt uns irgendetwas zum Glück; oder wir müssen umdenken. Bademoden beispielsweise werden am Strand fotografiert. Würden wir sie auf einer Baustelle fotografieren, würden die Bilder keine Urlaubsstimmung verbreiten. Wir würden die Bilder komisch finden.

Aber vielleicht sind die Bilder so mutig fotografiert, dass sie einen Trend setzen. Das ist allerdings schwer. Genau so schwerlich wird ein Frauen-Portrait in einer von Graffitis bekritzelten Umgebung oder mitten auf einem Parkplatz romantisch aussehen. Aber das ist auch der falsche Ansatz: Wichtig ist die gewünschte Aussage des Bildes, über die sich der Fotograf idealerweise vorher Gedanken gemacht haben sollte. Wenn diese Voraussetzung gegeben ist, dann kann jede Umgebung, dann kann jedes Licht die Aussage des Bildes unterstützen. Also, mutig bleiben gegenüber den Gegebenheiten.

Das Beispielbild ist für die Sedcart des angehenden Models Karo – fotografiert vor einem eingerüsteten Haus mitten in Hamburg-Altona. Junge Erwachsene wollen ja großstädtisch und cool wirken. Also passt hier die Kulisse ideal.

Hier geht’s zum Post von Patrick Ludolph.

Portrait mit hartem Sonnenlicht im Wald
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Outdoor-Portrait im Diven-Look

Glamour-Licht ist der gängige Name. Ich würde die eine Variante mal „Doris-Day-Licht“ nennen. Glamour-Licht gibt immer einen Diven-Look: Das Model sieht aus wie ein Hollywood-Star. Diven-Look geht hart, der geht auch weich. Doris Day war eine amerikanische Komödien-Diva der Fünfziger und Sechziger, und da drängt sich ein weicher Look auf; obwohl Glamour-Licht echt knackig aussieht, aber einfach herzustellen ist.

Im Fall von meinem Model ging das sogar draußen im Wald. Das Setting war bestimmt von Sommer-Sonnenlicht am späten Sonntagvormittag. Als zusätzliche Lichtquelle stand ein Kompaktblitz auf einem Stativ im Hintergrund. Der Doris-Day-Effekt ergibt sich durch die Kombination aus Beleuchtung und Pose, beziehungsweise Mimik. Das Model blickt verträumt direkt in die Lichtquelle; in diesem Fall die Sonne. Das gibt knallhartes Licht, das aber in so einem flachen Winkel auftrifft, dass die Schatten gleichermaßen kontraststark sind, aber eben auch durchzeichnet. Und aufgrund des flachen Winkels des Lichts bleibt die Haut einigermaßen zart.

Das „Spitzlicht“ sitzt hinter dem Model so zentral, dass der gesamte Hinterkopf von Licht umspielt wird und sich zum Strahlen des Lächelns addiert; der romantische, glamouröse Charakter wird dadurch stark betont, dass das Licht der Corona viel prominenter im Bild wirkt als das Licht von vorn. Aber den unwirtlichen, künstlichen Look erhält das Bild durch die offene Blende.

Einerseits ist das Gesicht durchgehend scharf, andererseits verschwimmt der Hintergrund, so dass die Augen und der Mund das Bild dominieren. Trotzdem bleibt der Gesamteindruck des Bildes sehr weich und weiblich – eben das ist die Kombination, mit der weibliche Filmstars abgelichtet werden.

Portrait von Christian Giesen
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Portrait: einfach out of camera

Geduld ist eine die wichtigsten Tugend eines Fotografen. Geduld für den richtigen Moment ist weit entscheidender für ein gutes Bild, als jeder Kniff in Bildbearbeitung. Das obige Portrait ist prinzipiell „out of camera“, das heißt, Schnitt und Komposition entsprechen exakt dem Negativ – genau: Ich habe das Bild analog fotografiert auf dem Kodak T-Max 100-Kleinbildfilm.

Entscheidender aber ist, dass ich auch an der Belichtung im Nachhinein kaum etwas nachgebessert habe: Kein Lightroom, aber auch kaum Photoshop. Ich habe lediglich die Gradation etwas aufgesteilt und kurz mit Dodge and Burn Tiefen und Lichter betont. Ansonsten stimmte die Belichtung exakt, obwohl ich lediglich mit einem Handbelichtungsmesser grob das Umgebungslicht eingemessen habe. Dieser Tag war zwar ein grundsätzlich sonniger, aber immer wieder schoben sich Wolken über den Himmel, so dass die Lichtbedingungen häufiger wechselten.

Allein das erfordert eine Menge Geduld, aber spannender war, dass ich meinen Portraitierten lange mit der Kamera verfolgt habe, um einen aussagekräftigen Moment abzupassen. Wir saßen in einer Strandbar und unterhielten uns lange. Zwischendurch habe ich immer wieder fotografiert. Klar, war mein Model irgendwann ein wenig genervt, aber andersherum auch geschmeichelt. Jedenfalls kam ein sehr gutes Ergebnis heraus. Und das trotz offener Blende. Die Schärfe stimmt, die Augen haben Licht.

Mein Model war jedenfalls hoch zufrieden. Immerhin ist er selbst Fotograf. Mal reinschauen bei Christian Giesen.

Die deutsche Metal-Band Accept im Hamburger Club Docks
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Live-Portraits: Finger weg vom Blitz

Three songs, no flash – die Bedingungen für Konzertphotographie sind grundsätzlich unangenehm. Von gutem Licht kann ich da oft nur träumen; und auch die Enge vor der Bühne macht einen Schuss allzu oft zum Glücksspiel. Je angesagter der Künstler, desto exclusiver der Zugang, und desto rabiater rempeln sich alle Fotografen in die beste Schussposition. Vor der Bühne verläuft der „Graben“, also die Distanz zwischen Bühne und dem Publikum; rund einen Meter breit die gesamte Bühne entlang, dort dürfen sich die Fotografen tummeln – kleine Clubs verzichten meisten auf eine Absperrung, dafür fühlen sich dann die Zuschauer von den Fotografen belästigt. Wirklich nervige Arbeitsbedingungen.

Trotzdem gibt’s für Dich ein paar Kniffe, um die Qualität der Bilder zu verbessern, und viel Atmosphäre vom Konzert oder von der Charakteristik der Künstler einzufangen.

Für die ersten drei Songs bleiben Fotografen erwünscht, dann werden sie meist von den Ordnern herausgedrängt; wer im Hinausgehen auf die Schnelle noch einen Schuss mitnehmen will, bekommt eine dicke Pranke auf die Linse gepatscht, die dazugehörige zweite Pranke eventuell in den Nacken. Die Amerikaner verstehen durch die Bank so gar keinen Spaß, sie reagieren absolut zickig, die Engländer und Europäer sind entspannter, deutsche Künstler reagieren durchweg medienfreundlich. Gute Bilder aus dem Graben zu fischen, hängt ganz enorm vom Zufall ab; der Maßstab dafür hieß für mich immer: scharf druckbar über eine komplette Magazinseite, also mindestens 20 mal 30 Zentimeter, oder aber tauglich für Cover von Live-Alben. Drei Songs dauern möglicherweise eine Viertelstunde. Ganz wenig Zeit also, um Brauchbares zu schießen. Alles muss zusammen passen. Aber auch wirklich alles.

Flaches Licht, viel Gesicht

Ich habe meine ersten Konzerte fotografiert, als die Welt noch analog war und viele Zeitungen überwiegend in Schwarz-Weiß druckten. Insofern durfte der Kontrast nie allzu hoch sein. Aber auch digital kommt wenig auf’s Bild, wenn der Spot fehlt – ein heller Lichtkegel, der den Künstler ausleuchtet, meist steht ja ohnehin der Sänger im Mittelpunkt. Ohne Spot vom Mischpult aus, kommt das Licht meist ausschließlich von oben und strahlt steil von oben herab, ein fetter Nasenschatten und tiefdunkle Augenhöhlen sind dann garantiert. Fies wird’s, wenn der Sänger das Mikro dicht am Mund führt; dann ist das halbe Gesicht schwarz. Meist passiert das bei Singer/Songwritern, die relativ statisch bleiben, und wenn sie nicht nur auf der Stelle stehenbleiben, sondern auch dauerhaft an ihrer Gitarre kleben, ohne dabei vielleicht mal den Kopf zu heben, hast Du keine Chance.

Aber auch ohne Verbot verbietet sich der Blitz. Während eines Konzerts von Alice Cooper war mal Dauerblitzen erlaubt. Da Du aber nur Deinen Systemblitz auf die Kamera stecken kannst, anstatt das Licht zu kontrollieren, kommt das Licht dann direkt von vorn und blitzt natürlich jegliche Konturen weg. Damit sind die Bilder dann zwar ausgeleuchtet, aber eigentlich auch fast schon unbrauchbar. Vor allem, wenn Du im Hintergrund eine warme Farbstimmung einfangen willst und von vorn das harte weiße Licht draufknallt.

Für ein Close-Up ganz weit weg

Also: Blitz zuhause lassen, aber welche Optik einpacken? Zwei Optiken reichen, vielleicht eine; kommt auf die Band an. Auf jeden Fall sollte die Optik mindestens eine Blende von 2.8 bieten. Idealerweise eine 2.0, sonst wird der Vordergrund oft zu dunkel. Fotografierst Du in Richtung Hardrock oder Punk, nimm unbedingt ein Weitwinkel – 35 Millimeter sind ideal, vor allem für die ganz hubbeligen Sänger. Die stehen nämlich gern breitbeinig am Bühnenrand und brüllen direkt ins Publikum. Wenn Du etwas in die Knie gehst, kannst Du von unten ziemlich krasse Bilder bekommen. Gilt auch für Gitarristen, die breitbeinig am Bühnenrand stehen oder sich vornüber beugen – wie am obigen Beispiel mit der deutschen Metal-Band „Accept“. Viele Fotografen laufen mit Zoom-Optiken herum, oft 70 bis 210 Millimeter. Aber eine Festbrennweite sollte Dir reichen, denn den idealen Ausschnitt schießt Du meistens mit dem 135 Millimeter. Mit dem richtigen Abstand gelingt Dir dann vor allem bei Gitarristen die formatfüllende Aufnahme vom gesamten Oberkörper.

Einer meiner bewundernswertesten Kollegen war immer Ingo Röhrbein vom Hamburger Abendblatt. Dem sind oft überraschend eindrucksvolle Close-Ups gelungen, weil er sich mit einem 300er, 400er oder sogar 600er auf einem Einbein-Stativ ans gegenüberliegende Ende der Konzerthalle gestellt hatte, um ganz weit außerhalb des Getümmels ganz easy über alle Köpfe hinweg zu fotografieren. Wer mitten drin steht, ist oft verraten und verkauft. Jeder wippt und stößt Dich eventuell im entscheidenden Moment an; die Aufnahme ist dann futsch. Außerdem haben die Zuschauer für das Konzert in der Regel bezahlt und insofern überhaupt keine Geduld mit Fotografen, die ihnen möglicherweise die Sicht versperren. Willst Du Stress vermeiden, zieh Dich also etwas zurück.

Freihändig ist immer wackelig

Geduld bedeutet eine der obersten Tugenden für Konzertfotografen: Einfach warten, bis sich die Künstler leicht zu der einen oder anderen Bühnenseite wenden. Dabei entstehen meist offenere Bilder als frontal von vorn, bei denen oft das Mikro einen Teil des Gesichts verdeckt; ganz entscheidend ist also die Spotmessung: Ich habe immer auf das Gesicht gemessen; wenn das eventuell ausgefressen gewesen wäre, hätte das die gesamte Aufnahme ruiniert; ein anderer Fall wäre ein farbiger Musiker vor hellem oder buntem Hintergrund – die Ungenauigkeit von Integralmessung wäre mir zu riskant. In den meisten Clubs brauchst Du ohnehin einen ISO-Wert von 1.600. Ansonsten saufen Dir die Tiefen ganz sicher ab. Willst Du also überwiegend Konzerte fotografieren, sollte Dir das Rauschverhalten an der Kamera wichtig sein.

Für eine reiche Ausbeute empfiehlt sich ein schneller Autofokus, und dann am besten den Finger lange auf dem Auslöser stehen lassen. Konzertfotografie hat auch immer etwas mit Glück zu tun. Manchmal ist eine Bewegung verwischt, manchmal bewegt sich der Künstler erst in die Schärfe hinein. Vor allem wegen der oft geringen Tiefenschärfe ist der Ausschuss manchmal hoch. Um den dann noch in Grenzen zu halten und keine Verwacklung zu provozieren, ist ein Einbein-Stativ unabdingbar, wenn Du ein Zoom von mindestens 200 Millimetern nutzt. Verwacklungsfrei wäre dann höchstens 1/250 Sekunde aus der Hand zu halten ­– mit so einer Tüte würde ich ungern aus der Hand schießen.

Die besten Fotos nützen Dir allerdings nichts, wenn Du sie nicht zeigen oder nutzen darfst. Urheberrechts-Verletzungen sind kein Kavaliersdelikt. Also frag immer den Veranstalter oder den Manager, ob Du Bilder machen darfst. Am besten Du holst Dir die Genehmigung schriftlich. Vielleicht schickst Du der Band dann Bilder. Kann ja auch der Anfang eines bezahlten Auftrags sein; aber auf jeden Fall stellen die Bilder eine Referenz für Dich da. Wenn Du auf Blitz verzichtest, sieht auch jeder, dass Du etwas drauf hast.

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Blende auf und drauf

In so ziemlich jedem Tutorial wird erzählt, wie Du blitzen solltest. In jedem guten Photo-Buch siehst Du eine Menge überzeugender Beispiele dafür, dass Du besser die Finger vom Blitz lässt. Schau mal nach Barbara Klemm, die lange für die Frankfurter Allgemeine Zeitung photographiert hat oder nach Herlinde Koelbl – beide haben eindrucksvoll photographiert ohne viel Equipment. Und Du sparst Dir die ganze Schlepperei. Ganz im Ernst: Ein gutes Objektiv mit einer offenen Blende mit mindestens 2.0 eröffnet genügend Möglichkeiten für überzeugende Portraits. Der Hintergrund verschwimmt, und die Silhouette zeichnet sich gut ab – wer mit offener Blende ein close-up knipst, bekommt im Gesicht eine schöne schmale Schärfentiefe, die den Blick in das photographierte Gesicht hineinzieht.

Und in ein offenblendiges Objektiv passt ganz viel Sonnenlicht – gerade für Frauen-Gesichter wirkt das normale Tageslicht äußerst dazu schmeichelhaft.

Die entscheidende Fragen für ein fesselndes Photo ohne Brimborium sind: Wann photographiere ich, wie drehe ich mein Model zum Licht. Starkes Sonnenlicht gibt manchmal fiese Nasenschatten oder halb abgesoffene Gesichter. Kann eine Bildidee transportieren, kann aber auch einfach verguckt aussehen. Zu flaues Licht könnte das Bild etwas beliebig werden lassen. Dennoch lässt sich weiches Licht leicht etwas härter machen und ist damit nie die schlechteste Wahl. Hab Mut zum Draufhalten auch an diesigen Tagen!

Eine korrekte Belichtung verträgt sehr gut die Anhebung des Kontrasts um einige Stufen. Das Portrait habe ich mit einem Kleinbildfilm photographiert, der Kodak Tri-X liefert ohnehin eine überzeugende Grauwert-Abstufung mit einer charmanten Körnigkeit und entsprechendem Retro-Charakter. Neben der Anhebung des Kontrasts brauchst Du nur noch ein liebevolles Händchen in der Nachbearbeitung: die Lichter also etwas abwedeln, die Tiefen ruhig kräftig nachbelichten.

Bei kontrastarmen Lichtsituationen lohnt sich aber auf jeden Fall, in Schwarz-Weiß zu photographieren. Flaches Licht liefert flaue Farben, die dann auch auf das Motiv wirken. Dagegen wirkt ein Bild in Graustufen auf alle Fälle lebendiger.